Druck

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Podcast mit Melanie Helbling – Druck im Leistungssport

In diesem Podcast geht es darum, Druck nicht zu stigmatisieren, sondern ihn als normalen Bestandteil des Leistungssports anzusehen. Melanie zeigt unter anderem auch die positiven Seiten des Drucks auf. Zu dem Thema Druck gehört für Melanie auch das Thema Rituale, weshalb ein Teil es Podcasts ihnen gewidmet ist. Dabei werden die drei wichtigsten Abwehrmechanismen in Drucksituationen erklärt: Kampf, Erstarren und Flight.

Es wird gefolgert, dass die Reaktion auf Druck individuell unterschiedlich ist und jede und jeder den eigenen Weg im Umgang mit Druck finden muss. Wenn man Druck annehmen kann und gleichzeitig Freude am Sport hat, ist die Leistung am besten. Wie dies möglich ist, wird in diesem Podcast verdeutlicht. Wichtige Aspekte sind dabei Individualität, Selbstwahrnehmung, Kommunikation und eine positive Einstellung gegenüber Druck.

Melanie Helbling verfügt über viel Erfahrung als Unihockeyspielerin. Früher spielte sie lange Zeit für das NLA-Team der Kloten-Dietlikon Jets und hatte sogar einen kurzen Auftritt in der A-Nationalmannschaft. Ihre zwei ältesten von vier Kindern sind ebenfalls ambitioniert im Leistungssport im Unihockey.

Aktuell unterstützt sie das U21A-Frauen-Team der Kloten-Dietlikon Jets mit ihren mentalen, aber auch spielerischen Fähigkeiten. Weil Melanie aufgrund ihrer unterschiedlichen Rollen selbst sehr oft mit Druck konfrontiert ist, ist sie die perfekte Gesprächspartnerin für den Podcast “Druck”.

Begriffserklärung

Druck beschreibt einen emotionalen Zustand und ein Gefühl psychischer Belastung, das sowohl durch Erwartungen aus dem sozialen Umfeld als auch durch eigene Erwartungen ausgelöst werden kann. Diese Beschreibung lässt sich sowohl auf den Sport als auch auf andere Lebensbereiche anwenden.

Da Erwartungen bei Druck immer eine Rolle spielen, wird häufig von Erwartungsdruck gesprochen. Dabei lassen sich zwei Arten unterscheiden: Einerseits die Erwartungen an sich selbst, die intrinsischen Druck auslösen, und anderseits die Erwartungen von anderen Personen, die extrinsischen Druck hervorrufen. In der Realität entsteht meist eine Kombination beider Formen.

Ein Beispiel dafür ist der Selektionsdruck: Um in die nächste Stufe zu gelangen, muss man liefern – und das möchte man gleichzeitig auch selbst erreichen. Ein weiteres Beispiel ist die Favoritenrolle. Von aussen wird erwartet, dass jederzeit gute Leistungen erbracht werden; gleichzeitig erwartet man von sich selbst, das bereits Erreichte erneut zu schaffen. Druck kann somit auch als Angst beschrieben werden, nicht das liefern zu können, was man sollte oder möchte. Diese Angst entsteht durch die Diskrepanz zwischen hohen inneren und äusseren Ansprüchen und den subjektiv als geringer wahrgenommenen eigenen Fähigkeiten. 

Seltener treten andere Formen von Druck auf, etwa der Druck, sich nicht zu verletzen. Dieser ist häufig in Sportarten wie Snowboarden oder Eishockey zu beobachten. Diese Art von Angst bzw. Druck kann leistungshemmend.


«Je mehr wir uns mit negativen Konsequenzen beschäftigen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auftreten.»
(Kleinert, Jens; Erfolgreich aus der sportlichen Krise.)


Auslöser

Da Druck grösstenteils eine psychische Anomalie ist, kann er viele mögliche Auslöser haben.

Zu den häufigsten Auslösern gehören:

  • Angst
    • Familie
    • Trainerinnen und Trainer
    • Moral, Perfektionismus
    • Medien
    • Verein
    • Teamkolleginnen und -kollegen
    • Konkurrenz
  • Ohnmacht
  • Einfluss von Fremd- und Selbstbild

Druck ist fast immer mit Angst verbunden. Angst kann Auslöser, Symptom aber auch Folge von Druck sein. Sie kann aus vielen Quellen stammen, beispielsweise aus der Familie, von Trainerinnen oder Trainern, aus der eigenen Moral (Perfektionismus), aus kulturellen oder religiösen Werten, vom Team, vom Verein oder aus der Öffentlichkeit.

Diese Faktoren können allerdings sehr unterschiedliche Ängste auslösen. Beispielsweise kann die Angst, in einer entscheidenden Spielsituation zu versagen, auftreten, wenn eine schlechte Leistung schwerwiegende Folgen hätte, etwa bei einem Auf- oder Abstiegsspiel, das nicht nur das Team, sondern auch Verein und Trainer betrifft Druck kann auch direkter entstehen, wenn Trainer oder Trainierinnen etwa drohen, bei ungenügender Leistung den Platz im Team zu verlieren.

Je stärker man sich mit solchen Gedanken beschäftigt, desto grösser wird die Angst, und desto wahrscheinlicher wird, nach der Theorie der «Selbsterfüllenden Prophezeiungen», das Eintreten der gefürchteten Situation.

Ein weiterer zentraler Auslöser ist die Ohnmacht: das Gefühl, keine Kontrolle über eine Situation zu haben. Dies geschieht häufig, wenn andere Personen an einer Entscheidung beteiligt sind. Deren Meinungen und Handlungen sind nur begrenzt beeinflussbar. Der Rest bleibt genau diese Unsicherheit.

Die Rolle von Selbstbild und Fremdbild kann ein weiterer wichtiger Auslöser sein. Das Fremdbild wird oft von der Öffentlichkeit geprägt, die Sportlerinnen und Sportler meist nur in ganz bestimmten Momenten wahrnimmt. Dieses Bild kann, abhängig vom Kontext, zu hoch, zu niedrig oder realistisch sein. Niemand ausser der betroffenen Person selbst kennt jedoch den gesamten «Rucksack», den sie trägt. Ein zu tiefes Fremdbild kann Erfolgsdruck erzeugen, weil man sich und den anderen unbedingt beweisen will, was man kann. Ein zu hohes Fremdbild kann dagegen Druck verursachen, weil man frühere Erfolge bestätigen möchte. In beiden Fällen ist ein stabiles Selbstbild entscheidend, also das Bewusstsein über die eigenen Fähigkeiten, das eng mit Selbstvertrauen und Selbstsicherheit verbunden ist.

Auch eine falsche Ergebnisverarbeitung kann indirekt auslösend sein. Oft wird nach Erfolgen oder Niederlagen zu schnell nach vorne geschaut, ohne das Erlebte ausreichend zu reflektieren. Eine fehlende oder falsche Ergebnisverarbeitung kann zu zusätzlichem Erfolgsdruck führen.

Schliesslich ist zu beachten, dass Druck nie von einem einzigen Faktor ausgelöst wird. Es ist immer auch die Art, wie dieser individuell interpretiert wird. Persönlichkeit und persönliche Geschichte der Athletinnen und Athleten spielen dabei eine grosse Rolle.

Symptome

Druck kann sich auf sehr unterschiedliche Weise zeigen. Das macht es schwierig, ihn klar zu erkennen, insbesondere für Aussenstehende. Oft wird er erst wahrgenommen, wenn er über längere Zeit anhält.

Mögliche Symptome können depressive Verstimmungen, Stimmungsschwankungen und hohe Reizbarkeit sein. Ein weiteres, eher physisches Symptom ist akuter Stress. Dieser äussert sich häufig durch Herzrasen, Schweissausbrüchen, Bluthochdruck, Erschöpfung und Verspannungen. Psychisch kommen Motivationsverlust und Antriebslosigkeit dazu. Ausserdem kann ein geringes Selbstwertgefühl vorliegen, was zu mehr Selbstzweifeln führt. Daraus verstärkt sich der Perfektionismus, und die Betroffenen setzen sich noch stärker unter Druck. Hinzu kommen Schwierigkeiten wie Konzentrationsprobleme oder sogar Schlafstörungen.

Zusammenfassung der Symptome

  • Depressiven Verstimmungen und Stimmungsschwankungen
  • Hohe Reizbarkeit
  • Akuter Stress
  • Herzrasen, Schweissausbrüche, Bluthochdruck
  • Erschöpfung, Verspannung, Schlaf- und Konzentrationsstörungen
  • Motivationsverlust und Antriebslosigkeit
  • Selbstzweifel

Druck betrifft nicht nur den sportlichen Bereich, sondern kann auch den gesamten Alltag beeinflussen. Alltag und Sport sind eng miteinander verbunden, weshalb es wichtig ist, nicht nur auf den Sport zu achten, sondern auf die gesamte Lebenseinstellung.

Folgen

Die naheliegendste Folge von dauerhaftem Druck ist ein Leistungsabfall. Dieser entsteht immer nach einem ähnlichen Muster: Durch übermässigen Perfektionismus und Selbstzweifel machen sich Sportlerinnen und Sportler zu viele Gedanken. Dadurch versuchen sie, automatisierte Abläufe bewusst zu steuern, was zu Überforderung, Fehlern und einer negativen Spirale führt

Die Bewegungen werden unter Anspannung ausgeführt, der Körper steht unter Strom. Dabei funktioniert er am besten, wenn er mental unbeschwert, gut motiviert und von einer gesunden Menge Adrenalin begleitet ist. Dieses Gleichgewicht wird als Spannungsoptimum bezeichnet. Eine gewisse Anspannung und ein gewisser Leistungsdruck sind also notwendig, um gute Leistungen zu erzielen. Wird das Gleichgewicht jedoch gestört, sinkt die Leistungsfähigkeit.

Dabei ist aber auch hier zu beachten, dass jede Sportlerin und jeder Sportler ein individuelles Spannungsoptimum hat, das auch von der jeweiligen Sportart abhängt.

Umgang

Da Druck ein häufiges Thema im Leistungssport ist, weiss man heute, wie Sportlerinnen und Sportler besser damit umgehen können.

Ein zentraler Punkt ist die Stärkung der intrinsischen Motivation, also der Leidenschaft und Freude am Sport selbst. Wer aus Liebe zum Sport trainiert, ist langfristig stabiler als jemand, der sich nur an extrinsisch motivierten Zielen wie Podestplätzen orientiert.

Um die oft erwähnte Angst zu reduzieren, kann es helfen, das auslösende Ereignis als Challenge zu betrachten. So lässt sich der Fokus auf einen gesunden Respekt für und einen positiven Umgang mit der Situation verlagern.

Statt sich auf vergangene Niederlagen zu fixieren oder früherer Erfolge als Mindestmassstab (Druck) zu setzen, sollte man sich an früheren Triumphen und positiven Momenten besonders intensiv orientieren. Es geht darum, die Liebe zur Sportart neu zu entfachen und sich bewusst zu machen, weshalb man sie überhaupt ausübt. Daraus lässt sich neue Stärke schöpfen.

Hilfreich ist ausserdem, realistische, kurzfristige Ziele zu setzen und diese regelmässig mit einem Trainer oder einer Trainerin abzugleichen, damit sie adäquater zur aktuellen Situation passen. Langfristige Ziele orientieren sich schnell am einseitigen Selbstbild des Sportlers oder der Sportlerin und können daher unrealistisch wirken.

Die positive Psychologie legt den Fokus auf das, was gesund macht, und nicht auf das, was krank macht. Dazu gehören positive Vorstellungen, Entspannungsmethoden sowie ein bewusster und positiver Umgang mit sich selbst. Wer seine Stärken kennt und sich nicht auf seine Schwächen fokussiert – im Sport wie im Alltag – steigert Selbstvertrauen und Selbstsicherheit. Selbstsicherheit bedeutet dabei nicht, alles perfekt zu beherrschen, sondern Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten zu haben.

Eine weitere Methode, Selbstvertrauen zu stärken, ist die Optimierung der Wahrnehmung der eigenen Fähigkeiten. Damit sich Sportlerinnen und Sportler dieser bewusst werden, gibt es zwei Herangehensweisen.

Zum einen können Leistungssituationen mit positivem Ausgang realisiert werden. Dabei werden typische Eigenschaften von Drucksituationen im Training simuliert, damit Sportlerinnen und Sportler bereits Erfahrung damit sammeln und im Ernstfall besser reagieren können. Solche simulierten Wettkampfsituationen können Nichtwiederholbarkeit, Erwartungsdruck, Zeitdruck oder Konsequenzdruck beinhalten. Durch diese Simulation lässt sich das Verhalten in diesen Situationen gezielt verbessern.

Andererseits gibt es die Visualisierung von Leistungssituationen mit positivem Ausgang. Der Begriff Virtualisierung würde diesen Vorgang treffender beschreiben, ist jedoch in der Fachliteratur (noch) nicht etabliert. Diese Methode lässt sich am einfachsten mit einer Mentaltrainerin oder einem Mentaltrainer umsetzen. Dabei wird meist ideomotorisches Training angewendet: Eine Bewegung wird intensiv vorgestellt, ohne sie tatsächlich auszuführen. Dadurch entsteht eine höhere Sicherheit in der Bewegung und manchmal werden dabei sogar einzelne Muskeln aktiviert. Neben der Bewegung können im Kopf auch andere Wettkampfelemente wie Zuschauerreaktionen oder äussere Faktoren durchgespielt werden. Ziel ist es, möglichst viele Sinnessysteme einzubeziehen. Auch ohne professionelles Mentaltraining können autogenes Training oder andere mentale Methoden hilfreich sein, insbesondere für Menschen mit starkem Vorstellungsvermögen.


 «Die Athletin soll lernen das Kontrollierbare zu kontrollieren
und das Kalkulierbare zu kalkulieren»
(Kleinert, Jens; Erfolgreich aus der sportlichen Krise)


Zu hohes Selbstvertrauen kann jedoch ebenfalls problematisch sein. Es kann zum Gefühl führen, das Kontrollierbare und Kalkulierbare zu beherrschen, was wiederrum zu Erfolgsdruck führen kann.

Zuletzt ist es, wie iweiter oben bereits erwähnt, bedeutsam, eine bewusste Ergebnisverarbeitung vorzunehmen. Auch hier ist die Individualität zu betonen, die von den verschiedenen Sportarten und Persönlichkeiten abhängt. Grundlegend gibt es zwei Verarbeitungsweisen, die in der Praxis oft ineinanderfliessen: die emotionale Ergebnisverarbeitung und die rationale Ergebnisverarbeitung. Beide besitzen den gleichen Stellenwert.

Die erste Reaktion auf einen Erfolg oder einen Misserfolg ist meist emotional. In dieser Phase setzten sich Sportlerinnen und Sportler häufig mit dem Grund des Erfolgs oder des Misserfolgs auseinander, indem sie ihren Gefühlen nachgehen. Häufig suchen sie auch etwas Abstand vom Sport, weil sie genug haben und ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge richten, die sie ablenken können. Auf diese Weise finden sie Ausgleich und stabilisieren ihr emotionales Gleichgewicht. Emotionalität nach einem Erfolg oder Misserfolg leitet uns auch dazu, die richtige Einstellung zu finden und sich gedanklich mit dem Ergebnis zu befassen. Geschieht diese emotionale Verarbeitung nicht, kann es in zukünftigen Wettkampfsituationen zu psychischen und physischen Verkrampfungen kommen, da sich die innere Anspannung nicht löst. Diese Phase der emotionalen Verarbeitung sollte jedoch nicht zu lange dauern, damit anschliessend eine rationalere Verarbeitung erfolgen kann.


«Gefühle bringen uns auf Gedanken»
(Kleinert, Jens; Erfolgreich aus der sportlichen Krise.)


Bei der rationalen Ergebnisverarbeitung ist das Vorgehen strukturierter. Sie hilft, eine angemessene und sachliche Haltung gegenüber vergangenen und zukünftigen Ereignissen zu entwickeln. In einem ersten Schritt, der retrograden (rückwärtsgerichtete) Verarbeitung, wird über das Verhalten vor und während des Ereignisses nachgedacht. Im zweiten Schritt, der reflexiven (spiegelnder) Verarbeitung, werden die bisherigen Erwartungen und Ziele im Kontext des zurückliegenden Ereignisses kritisch analysiert und verglichen. Im dritten und letzten Schritt, der anterograden (vorwärtsgerichteten) Verarbeitung, werden auf Basis einer realistisches Einschätzung der eigenen Kompetenzen zukünftige Ziele und Planungsschritte gemeinsam mit dem Trainer oder der Trainerin festgelegt.

Besonderes

Rituale sind unlogische Handlungen, die zwar keinen direkten Einfluss auf den Ausgang eines Wettkampfs haben, für die Sportlerinnen und Sportler jedoch eine symbolische Bedeutung besitzen. Gerade im Zusammenhang mit Drucksituationen spielen Rituale eine besondere Rolle. Vielen Athletinnen und Athleten hilft es, feste Rituale zu haben, um sich mental auf eine Drucksituation vorzubereiten.

Diese Rituale können sehr unterschiedlich aussehen. Sie reichen von einer bestimmten Berührung oder Geste bis hin zu Visualisierungen. Bekannt sind beispielsweise Rituale wie der Haka, Torjubel, Schlachtrufe oder eine bestimmte Anordnung der Ausrüstung oder Kleidung. Durch die bewusste Durchführung solcher Handlungen entsteht ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle, was helfen kann, Druck zu reduzieren und mentale Stabilität zu gewinnen.


Für genaue Angaben zu Quellen und Literatur verweise ich auf die schriftliche Maturitätsarbeit. Diese kann über das Kontaktfomular angefordert werden.

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